Auf welchem Weg bist du Wasser-Sommelière geworden, und was fasziniert dich an Wasser?
Ich habe über 30 Jahre in der Gastronomie gearbeitet und mich lange mit Getränken und Speisen beschäftigt. Als mich mein Arbeitgeber vor acht Jahren gefragt hatte, dachte ich: «Wasser ist gleich Wasser. Es ist doch egal, welches ich trinke!» (lacht)
Kurze Zeit darauf hatte ich bei einer Kaffeeschulung ein Aha-Erlebnis und stellte fest, dass Wasser einen erheblichen Einfluss auf den Geschmack haben kann. Daher habe ich mich entschieden, die Ausbildung zur Wasser-Sommelière bei der Doemens Genussakademie zu absolvieren.
Seitdem fasziniert es mich immer wieder, wie unterschiedlich das Wasser selbst, aber auch Getränke wie Wein, Bier oder Fruchtsäfte schmecken können, je nachdem, welches Mineralwasser ich dazu trinke. Das Gleiche gilt bei den Speisen.
Wie degustiert man Mineralwasser richtig? Welche Schritte sind zu befolgen?
Im Grundsatz ist eine Degustation von Mineralwasser mit einer Weindegustation vergleichbar: sehen, riechen, schmecken. Für mich kommt noch ein weiter Schritt hinzu: fühlen. Hört sich im ersten Moment seltsam an, doch mit Fühlen ist das Mundgefühl beim ersten Schluck gemeint. Also das Mineralwasser für einen kurzen Moment im Mund behalten und sich fragen: Fühlt sich das Wasser hart oder weich, kalt oder warm an?
Dann einen zweiten Schluck nehmen und das Wasser im Mund bewegen wie beim Wein und schmecken. Schmeckt es süss oder salzig, sauer oder bitter? Meiner Meinung nach erfährt man den vollen Geschmack von Wasser zusammen mit dem Mundgefühl. So kann man sich ein ganzheitliches Bild machen.
Wie beeinflussen Mineralien wie Calcium, Magnesium, Natrium und Sulfat den Geschmack?
Jedes Mineral hat seinen eigenen Geschmack. Calcium schmeckt leicht säuerlich und hinterlässt am Gaumen ein eher trockenes Mundgefühl. Magnesium kann süss oder bitter schmecken – je nachdem, wie man es in der Kindheit erlernt hat. Natrium ist leicht bis sehr salzig, Sulfat macht das Wasser weicher und wärmer und kann den bitter-herben Geschmack verstärken. Da meist alle Mineralien im Mineralwasser enthalten sind, kommt es auf die Menge und das Verhältnis zueinander an. Das macht den Geschmack des Mineralwassers im Gesamten aus.
Welche Gläser und Utensilien eignen sich am besten für die Verkostung von Mineralwasser?
Ich bin der Meinung, dass Mineralwasser generell ein Stielglas, also Weinglas, verträgt. Es ist ein edles Produkt, welches je nach Region sehr wertvoll ist. Ansonsten sollte es ein klares und ungeschliffenes Glas sein. Farbige und geschliffene Gläser können im Unterbewusstsein den Geschmack beeinflussen.
Vor allem beim Degustieren ist ein Weinglas von Vorteil, da sich das Wasser einfacher schwenken lässt und man durch den Kelch die Aromen besser wahrnehmen kann. Eine Wasserdegustation sollte am besten am Vormittag zwischen 10.00 und 11.30 Uhr in einem hellen, geruchsneutralen Raum stattfinden.
Gibt es Übungen, um den Geschmackssinn für Wasser zu schärfen?
Am einfachsten ist es, unterschiedlich mineralisierte Wässer – in der Gesamtmenge der Mineralien und in der Zusammensetzung – zu besorgen und diese bewusst zu degustieren. Da die Mineralisation auf der Flasche angegeben ist, kann man dort schnell herausfinden, welche Mineralien enthalten sind und sich die richtigen Mineralwässer zusammenstellen. Hier gibt es vielfältige Möglichkeiten für die Flights, zum Beispiel nur Mineralwässer innerhalb einer bestimmen Range der Totalmineralisation, Mineralwässer mit einem hohen Anteil eines bestimmten Minerals, Mineralwässer einer bestimmten Region, Mineralwässer aus verschiedenen Ländern etc.
Schwieriger ist es, die Mineralien sortenrein zu degustieren, da sie im Mineralwasser nur gemeinsam und in unterschiedlichen Zusammensetzungen vorkommen. Um diese in einem Sensorik-Training zu degustieren, benötigt man schon biochemische Kenntnisse, um die richtige Menge (im Milligramm- oder Mikrogramm-Bereich) pro Liter auflösen zu können.